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Ian Anüll Ian Anüll

Geboren 1948 in Sempach, Schweiz, lebt in Zürich

Können Künstlerinnen heute den Kunstmarkt kritisieren, ohne dabei sofort selbst ein Teil von ihm zu werden und damit letztlich ihre eigene kritische Haltung zu untergraben? Diese Frage beschäftigt Kunstschaffende mindestens seit den 1960er Jahren. Manche glaubten, dem Markt entkommen zu können, indem sie sich auf technische Reproduktionsverfahren wie Fotografie oder Video konzentrierten. Andere, etwa die Konzeptkünstlerinnen der 1970er Jahre, versuchten der Kommerzialisierung zu entgehen, indem sie das Kunstwerk als Idee formulierten – als etwas, das prinzipiell jede*r nach bestimmten Vorgaben realisieren konnte. Wieder andere hofften, durch Arbeiten außerhalb institutioneller Kontexte eine Marktlogik unterlaufen zu können. Doch wie wir heute wissen, waren all diese Versuche letztlich vergeblich: Der Markt vermag alles zu vereinnahmen und zu kommerzialisieren – sei es ein physisches Kunstwerk, eine Idee oder sogar eine kritische Haltung.

Jan Anüll, geprägt von diesen Erfahrungen, reagiert auf die scheinbar paradoxe Situation von marktkritischer Kunst mit einem ironischen Humor. Dabei geht es ihm nicht darum, wie bei anderen Künstler*innen seiner Generation, den Kunstbegriff ins Lächerliche zu ziehen, sondern vielmehr darum, die gesellschaftliche und politische Verwurzelung der Kunst sichtbar zu machen – als Gegenposition zur modernistischen Vorstellung von künstlerischer Autonomie. So arbeiten seine Installationen, Filme, Zeichnungen und Bilder mit Flaggen, Firmenlogos und politischen Symbolen. Sie bedienen sich bewusst der Ästhetik von Werbung und Massenmedien – so sehr, dass sie auf den ersten Blick mitunter kaum von politischen Plakaten zu unterscheiden sind. Diese gezielte Verunsicherung ist Teil seines Konzepts. Mit subtiler Ironie hält er uns den Spiegel vor – und konfrontiert uns mit unseren eigenen Vorurteilen und eingefahrenen Vorstellungen über Kunst.

Und dennoch: Auch bei diesem Jongleur mit Logos, amerikanischer Banken- und Politik-Symbolik geht es letztlich um Kunstbewusstsein. Am deutlichsten wird das in jenen Arbeiten, die sich bewusst den Marktprinzipien entziehen – etwa in seinen farbigen Raumgestaltungen. In der Tradition der Konzeptkunst formuliert Anüll genaue Anleitungen: Eine Malerin streicht eine Wand eines Raumes in metallischem Blau. Mit derselben Farbe wird anschließend eine Leinwand bemalt, die exakt zehnmal kleiner ist als die Wandfläche, und an der benachbarten Wand aufgehängt. So entsteht ein meditativer Raum, dessen ästhetischer Wert sich mit den ambitioniertesten Werken minimalistischer Kunst messen kann – und der zugleich mit einem Augenzwinkern den Marktwert der Leinwand im Verhältnis zur bemalten Wand hinterfragt.

Text von Noemi Smolik