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Andrei Roiter Andrei Roiter

Geboren 1960 in Moskau, lebt in Amsterdam und New York

Sehr wenige zeitgenössische Künstler ist es gelungen, die Vorstellung des französischen Poststrukturalisten Roland Barthes, dass Fotografien einen Moment einfrieren und gleichzeitig eine Erinnerung erzeugen können, so auszudrücken wie Andrei Roiter. In seiner Arbeit beinhaltet dieser Ansatz des „Einfrierens“ einen ganzen Prozess, der aus mehreren Schritten besteht. Zuerst fotografiert Roiter völlig banale, zufällige, oft deutlich abgenutzte Gegenstände oder Objekte, die er selbst aus Abfallmaterialien wie alten Brettern, Leisten und Drähten zusammenstellt, die er aus Zement formt oder die er aus altem Papier zusammenklebt. Diese Objekte bezeichnet er als „Requisiten“. Dann projiziert er die Fotografien auf eine Leinwand und erstellt ein endgültiges Gemälde mit Öl- oder Acrylfarben. Ein solcher Ansatz verleiht den gemalten Objekten eine Art Kälte und Distanz, die wir aus den amerikanischen Fotorealistischen Gemälden der 1960er Jahre kennen – mit dem Unterschied, dass der amerikanische Fotorealismus leuchtende Farben und Schärfe verwendete. Roiters Motive hingegen sind in grauen bis schwarzen Tönen getaucht, als wären sie in einen Dunst gehüllt, wie es manchmal mit Objekten geschieht, die in und aus der Erinnerung verschwinden. Und es sind Erinnerungen, die Roiter interessieren. Seitdem er in den 1990er Jahren seine Heimatstadt Moskau verlassen hat, lebt er in ständigem Wechsel zwischen Westeuropa und Nordamerika. Reisen ist zu einem permanenten Zustand geworden. Im Gegensatz dazu ist das Zuhause ein fiktiver Zustand, der nur durch die fragmentarischen Erinnerungen am Leben bleibt, die in seinen Gemälden und Installationen auftauchen: Erinnerungen an Hütten, die Kinder aus zusammen genagelten Holzplatten als Unterstände bauten, Erinnerungen an Wartezimmer – denn ein erheblicher Teil des Reisens besteht darin, auf den nächsten Zug, die nächste Station zu warten – Erinnerungen an Dinge, die einst etwas bedeuteten, wie der Konstruktivistische Turm des russischen Künstlers Wladimir Tatlin. Aber in Roiters Werk „Tatlins Stuhl“ von 2007 ist sogar diese Erinnerung verzerrt. Sie hörte schon längst auf, ein Ausdruck kultureller Identität zu sein, selbst wenn noch Spuren des Konstruktivismus in der Art und Weise zu finden sind, wie er Objekte konstruiert. Der Koffer ist der ständige Begleiter des Reisenden, und so finden wir ihn in Roiters Werken – zusammen mit einem Buch und einer Kamera, zwei Vermittlern von Erinnerungen. Diese Vermittlung und ihre enge Verbindung zu Erinnerungen sind es, die Roiter faszinierten, als er erstmals auf Miroslav Tichýs Fotografien von Frauen stieß. Er spendete auch mehrere seiner eigenen Werke: eine Kamera aus Zement, eine Kamera, die an eine Wand montiert ist, und ein gemaltes Bild einer Kamera.

Text von Noemi Smolik