Geboren 1977 in Sukhumi, Georgien, lebt in Berlin
Bissiger Slapstick, verführerischer Pop, nostalgischer Futurismus – so könnte man die Kunst von Andro Wekua beschreiben, einem Künstler der Generation, die nach 2000 die Kunstszene betrat. Was diese Generation auszeichnet, vertreten auch Künstler wie Thomas Zipp und Andy Hope 1930, ist ihr surrealistisch-expressiver Ansatz zur Realität. Es gibt keine soziologisch motivierten Projekte, wie sie für die post-konzeptionelle Kunst der 1990er Jahre typisch waren, sondern nur einen authentischen Sprung in die harte Realität.
Auch Wekua fühlt sich von der Rauheit angezogen, die nur das Leben bieten kann. Seine Collagen und Skulpturen, die meistens als integraler Bestandteil der Ausstellungsräume präsentiert werden, vermitteln nie ein klares, geschweige denn naives Bild. Manchmal können sie sogar als gruselig beschrieben werden, wie in der Installation „Get Out of My Room Part I“ von 2006. Wir sehen eine Skulptur eines Jungen, der auf einem Stuhl mit übergeschlagenen Beinen auf einem großen Tisch sitzt. Der Junge trägt ein weißes Hemd und weiße Socken mit sorgfältig geschnürten Schuhen. Allerdings trägt er keine Hose. Sein Gesicht ist entstellt. Was sehen wir hier? Und worauf lassen wir uns ein? Das Reich der sexuellen Fetische oder vielleicht sogar der Pädophilie?
Wekuas Kinder und Frauen sind fast immer Zeugen der Exzesse sexuellen Verhaltens und sozialer Ordnung. Doch dies ist nie klar definiert, als wolle Wekua immer wieder bis zum Kern der Situation vordringen. Dennoch ist es ein vergeblicher Versuch. Man kann sich dem sexuellen Trauma und der puren Gewalt nie näherkommen, weil derjenige, der dies versucht, der Obsession verfällt. Und die Obsession ist auch in Wekuas Werk entscheidend – in der Tat schon auf den ersten Blick, wenn scheinbar kein Sex oder keine Gewalt zu sehen ist. Auf der Biennale von Venedig 2011 präsentierte er „Pink Wave Hunter“, Modelle von Gebäuden aus seiner Heimatstadt Sukhumi auf einer riesigen Plattform, die er aus seiner Erinnerung erschuf. Doch statt eines Kunstwerks ähnelte diese Reihe von Gebäuden einer Art Zeugnis, das eine Geschichte unglaublicher Verbrechen erzählt. Warum ist das so?
Eines von Wekuas letzten Werken ist der Farbfilm „Never Slept With a Strawberry in Your Mouth“ von 2010. Es ist ein Film, der gleichzeitig geheimnisvoll und verführerisch wirkt, als ob er jenseits der Zeit wäre. Es ist schwer zu sagen, ob es eine futuristische Vision oder eine nostalgische Fantasie ist. Wekuas Werke sind Visionen am Rande von Perversion und Pathologie. Sind diese gerechtfertigt? Schließlich reduzieren sie die Bedeutung der Kunst auf einen bloßen Recorder psychischer Obsession. Aber dennoch sind sie notwendig, weil sie mit der starren sozialen Ordnung interferieren.
Text von Noemi Smolik