Geboren 1964 in Eden, Niederlande, lebt in Amsterdam
Anonymität macht Äußerlichkeiten zu einem Charakteristikum der Großstadt. Wie bei Gebäuden sind es die Fassaden der Menschen, die den urbanen Raum prägen. Innere Welten werden selten nach außen projiziert. Ausdruckslose Gesichter sind ein Indikator und Signal einer inneren, nach außen ausgedrückten Grenze. Der Fotograf Arno Nollen durchbricht diese Grenze. Er nähert sich jungen Frauen und überzeugt sie, mit ihm zu kommen. Aus öffentlichen Bereichen für die Masse, wie Straßen, Clubs und Bars, bringt er sie einzeln in Räume, die irgendwo zwischen öffentlich und abgeschieden liegen – Hotelzimmer, Umkleideräume – und fotografiert sie. Ihre Körpersprache und Gesichter verraten immer noch die anhaltende emotionale Distanz zum öffentlichen Raum, aber in diesen beengten und intimen Räumen vermischt sich diese mit einem allmählichen Vertrauen zum Fremden. Mit dem Einverständnis des Subjekts wird der Voyeurismus des Fotografen aus der anonymen Außenwelt zu einem persönlichen Dialog. Die Fotografien spiegeln den sensiblen Zustand des Daseins zwischen Vertrauen und Misstrauen wider. Nicht zuletzt, dass diese Frauen oft ihre Kleider für die Fotografien ablegen, stellt Nollens Werk in ein ambivalentes Licht. Diese Ambivalenz durchzieht seine Arbeit und macht sie so interessant. Sie enthält die Spannung zwischen dem Äußeren und dem Inneren, dem Unbekannten und dem Intimen, Dokumentation und Pornografie. Nollens Schwäche für junge Frauen in Hotelzimmern, die halbtransparente Strümpfe tragen, ist eine ausgezeichnete Illustration dieses Ansatzes. Nollen wurde schon lange von der Modewelt entdeckt, wo dieser Stil des Zufalls und der Zurückhaltung im Gegensatz zur Prunkhaftigkeit inszenierter Fotografie schon eine Weile populär ist. Mit diesem Schnappschuss-Ansatz werden Mädchen von scheinbar unschuldiger Naivität in sexuell provokantem Kleidungsstil fotografiert. Nollens künstlerische Fotografien zeigen, dass diese Fantasien von unwahrscheinlichen Begegnungen im Alltag möglich sind. Das mag beunruhigend sein, ist aber angesichts der verbreiteten Praxis, die eigene Sexualität online offen zu zeigen, kaum überraschend. Nollens Fotografien verkörpern die heutige Tendenz, dass Intimität nicht zwangsläufig mit emotionaler Intensität einhergehen muss.
Text von Cora Waschke