Geboren 1936 in Stolp, Pommern, lebt in Wuppertal und Berlin
„Mitglieder der SS respektieren alles Lebendige, sogar kleine Käfer und Tiere, indem sie sie davor schützen, sinnlos zertreten zu werden. Wie ein Buddhist sollte jedes SS-Mitglied kleine Glöckchen an seinen Stiefeln befestigen, um die Tiere zu warnen: Hier kommen wir – bitte tretet zur Seite, damit nichts Unheilvolles geschieht!“
Was aus dem Mund von Bazon Brock schockierend klingt, basiert auf den Worten Heinrich Himmlers. Paradoxerweise war der Reichsführer der SS und einer der Hauptverantwortlichen für den Holocaust stark an Okkultismus und östlichen Religionen interessiert. In seinem Vortrag Lustmarsch durch das Theoriegelände (2006) präsentierte Bazon Brock ein Paar echter SS-Stiefel mit Glöckchen als eines von mehreren Grabbeigaben, die – zusammen mit Möbeln, Grabsteinen und einem Gemälde von Neo Rauch – einen Überblick über sein Leben und Denken gaben.
Heute emeritierter Professor für Ästhetik und Kulturvermittlung, begann Brock seine Laufbahn zwischen Kunst und Theorie in den 1960er-Jahren mit Happenings im Rahmen der Fluxus-Bewegung. Seine Karriere hat nichts von ihrer Eigenwilligkeit verloren, wie seine heutigen Performances als über 70-Jähriger beweisen. Sein Ziel war jedoch nie Provokation, sondern Aufklärung durch Kunst. Unbestritten ist, dass Brocks Auftritte – trotz Ironie, Gegenfaktizität und gelegentlicher Polemik – auf umfangreichem Wissen beruhen.
Dieser „Künstler ohne Werke“ aktiviert kreativ das Denken seiner Rezipient*innen, um (ohne belehrend zu wirken) eine Form ästhetischen Verständnisses von Kultur und Kulturgeschichte zu fördern. Schon in seiner Jugend hatte Brock aufgrund seines großen Redebedarfs den Spitznamen „Bazon“ erhalten (griechisch für „Schwätzer“), den er bis heute mit humorvoller Selbstkritik trägt.
Brocks Auffassung vom Sinn der Kunst lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Künstlerin und Wissenschaftlerin begründen ihre Wahrheitsansprüche selbst und vertreten ihre Überzeugungen, ohne damit Menschen belohnen oder bestrafen zu können. Kunst und Wissenschaft sind für Brock daher die fundamentalen Ausdrucksformen der Moderne, deren wesentliches Merkmal nicht Kollektivität, sondern Autorität durch Autorschaft ist. Diese Vorstellung prägt sein gesamtes Schaffen.
Neben seinen künstlerischen Happenings, theoretischen Schriften, TV-Produktionen, Hörspielen und einer umfangreichen Online-Präsenz engagiert sich Brock auch stark in der Kunst- und Allgemeinbildung – etwa mit seinen Besucherschulen auf der documenta, deren Weiterentwicklungen wie Der professionalisierte Bürger in Karlsruhe oder Die Denkerei in Berlin.
Text von Cora Washke