Geboren 1963 in Zürich, Schweiz, lebt ebenfalls in Zürich
Ihre Bilder sind alltäglich, banal und in gewisser Weise auch charmant, und genau deshalb provozieren sie. Wer heute ist mutig genug, charmante Bilder zu malen? Caro Niederer scheut sich nicht davor. In den 1990er Jahren begann sie, eher kleine oberflächliche Bilder zu malen, die sie aus Touristenbroschüren, Postkarten und Souvenirs, die sie von ihren Ferien mitbrachte, zusammensetzte. Ihre flachen Oberflächen ähneln den Werken des Schweizer Malers Ferdinand Hodler aus dem späten 19. Jahrhundert. Im Gegensatz zu Hodlers düsteren Gemälden zeichnen sich Niederers Bilder jedoch durch ihre oft grellen Farben aus. Und das ist bis heute ein Markenzeichen ihrer Arbeit geblieben. Auf einem ihrer neuesten Bilder aus dem Jahr 2011, „Desk, View and Chandelier“, sehen wir die leuchtend rote Oberfläche eines runden Tisches mit bunten Blumen in einer Vase auf einem reichen blauen Hintergrund, ein buntes Bild an der Wand und ein leuchtendes gelbes Licht über dem Tisch.
Niederer hat diese Farbenpracht nie aufgegeben, auch wenn sie auch mit Sepia-Tinten-Techniken arbeitete – bräunlich-graue Zeichnungen, die mit natürlicher Tinte aus einem Tintenfisch gemacht wurden, die im Mittelalter verwendet wurde. Ihre Sepia-Zeichnungen, die insbesondere Natur, Parks und das Meer zeigen, wirken nicht nur romantisch, sondern auch nostalgisch, da sie uns an Zeichnungen erinnern, die wir aus der Kunstgeschichte kennen.
Neben Bildern und Zeichnungen arbeitet Niederer auch mit riesigen handgewebten Teppichen. Sie nimmt eigene Fotos auf, zum Beispiel von ihren Kindern, die in einem See baden, Fotos von Blumen in einer Vase oder bekannte europäische Kunstwerke, und lässt diese Bilder auf bunte Seidenteppiche in einer speziellen Manufaktur in Shanghai weben. Im Gegensatz zu traditionellen europäischen Gobelins entstehen dabei ungewöhnliche und originelle Werke mit der nicht-europäischen kulturellen Perspektive chinesischer Weber.
Und genau das interessiert Niederer – das alltägliche Leben mit Kunst in völlig gewöhnlichen Kontexten. Eine ihrer Ausstellungen trug den Titel „Living with Art“ – also Kunst für den Alltag und nicht für Museen und Fachleute. Niederer versteht ihr Werk somit nicht nur als Versuch, das zu finden und darzustellen, was in unser Gedächtnis eingebrannt ist – wie zum Beispiel ein sonniger Nachmittag mit Kindern an einem See –, sondern auch als Versuch, die Kunst zu ihren Wurzeln im alltäglichen Leben zurückzuführen. Dies führte sie auch dazu, ihre eigenen Bilder, die Teil privater Sammlungen sind, mit Fotos zu dokumentieren – sie bevorzugt es, sie unter chaotischen Schreibtischen, Sesseln und überfüllten Regalen zu sehen, weil Kunst mit einem Leben zu tun hat.
Text von Noemi Smolik