Geboren 1941 in Hilden, Deutschland, lebt in Düsseldorf
„Ich stehle Bilder“, erklärt Hans Peter Feldmann. Tatsächlich hat er, als er 1968 mit der Malerei aufhörte und zur Fotografie überging, dies auf konzeptionelle Weise getan. Er verfolgt ein Konzept, das als Versuch beschrieben werden kann, das Ausmaß zu verstehen, in dem unsere Wahrnehmung und unsere Vorstellungen von der Welt durch Fotografien gefiltert und bestimmt werden. Ist die verführerische Form der Beine von Frauen in unseren Erinnerungen durch die Realität oder durch die fotografierten Werbung eingraviert?
Feldmann verbringt den größten Teil seiner Zeit damit, in Zeitungen, Zeitschriften, Büchern, auf Flohmärkten, in Antiquariaten und Secondhand-Läden nach Bildern und Objekten zu suchen, ohne ästhetische Urteile zu fällen. Er unterscheidet nicht zwischen Massenware, Kitsch, Abfall oder Hochkunst. Für ihn ist alles interessante Bildquelle, nicht nur Fotografien, sondern auch alltägliche Gegenstände wie Kuchenformen. Er fügt Hunderte von Fotografien, Zeichnungen, Dokumenten und Objekten zu Collagen zusammen: Erdbeeren und die verführerisch entblößten Knie sitzender Frauen, wie sie die Werbekamera zeigt, Kuchenformen aus den 1950er Jahren und bunte High-Heels. Werbung, Erinnerungen, Fantasie und Realität verschmelzen und werden zu den Bildern, die in unseren Köpfen gespeichert sind und auf diese Weise kollektiv werden.
Nur selten fotografiert Feldmann selbst, zum Beispiel wenn er die Aussicht aus einem Hotelzimmer fotografiert, in dem er übernachtet hat. Welches Bild wurde in unserer Erinnerung geschrieben: das Original oder das, das die Kamera eingefangen hat? Feldmanns Serie „All the Clothes of a Woman“ (1974) mit 72 Schwarz-Weiß-Fotografien ist legendär. Jedes Foto zeigt ein Kleidungsstück einer Frau, wie ein Rock, ein BH oder Strümpfe. Seine Serie „101 Portraits“ aus dem Jahr 2001, die 100 Jahre menschlichen Lebens dokumentiert, beginnend mit einem neugeborenen Baby, bleibt unvergesslich. Ausnahmsweise nimmt Feldmann sogar den Pinsel in die Hand. Wenn er das tut, malt er Pin-ups oder eine großformatige Kopie von Michelangelo’s „David“ in Gelb und setzt diese Verkörperung der hohen Kunst dem Trubel des Alltagslebens aus.
Feldmanns Werk ist buchstäblich besessen von dem Alltäglichen und dem Vertrauten.
„An einem Tag kann man zehn Minuten Glück erleben“, sagt dieser Entdecker unserer Erinnerungen. „Für mich ist der Rest des Tages interessant, die 23 Stunden und 50 Minuten, die keine bemerkenswerten Erlebnisse enthalten, die keine glücklichen Momente haben. Das ist es, was das Leben wirklich ausmacht.“
Text von Noemi Smolik