Geboren 1943 in Kliding, Deutschland, lebt in Köln
Kein anderer Künstler hat sich mit sexueller Obsession auf so radikale Weise beschäftigt wie Jürgen Klauke in seinen Zeichnungen und Fotografien – und das bereits zu Beginn der 1970er Jahre! Genau das macht Klauke so einzigartig. Inmitten einer spießigen, westdeutschen Gesellschaft, die bigott und starr war, zerschlug er vielleicht alle sozialen, ethischen und ästhetischen Normen in Bezug auf Sexualität – und das buchstäblich mit einer beneidenswerten Leidenschaft.
Die französischen Intellektuellen Georges Bataille und Jean Genet sowie insbesondere die Wiener Aktionisten sind künstlerische Mentoren für Klauke. Ähnlich wie sie nutzt er seinen eigenen Körper als Fläche, um multiple Identitäten und Geschlechter zu projizieren. Der Instinkt ist für ihn ein zentrales Thema, das, wie er selbst sagt, „die ewige Agenda der Schuld und Reue auslöscht. Verlangen und dessen Ausdruck in Bildern sind entscheidend. Ungehemmter freier Wille, der in Kontakt mit ungehemmtem ästhetischen Willen kommt.“
Klauke erscheint in Fotos nackt oder nur in Damenstrümpfen, oder wie in der Serie „Self-Performance“ von 1972/73, in einem Damenkleid, einem Schleier und weißen Lilien, mit einem frivolen Gesichtsausdruck, geschminktem Gesicht und obszöner Schrittpolsterung. In provokanten Fotos trägt er verführerische Damenunterwäsche mit Strumpfhalter, jedoch mit einer Bischofsmütze auf dem Kopf und einem Zepter in der Hand. Ähnlichen Aufruhr erregte seine Serie „Dr. Miller Sex Shop oder So stell’ ich mir die Liebe vor“ (1977), in der er sich mit Accessoires kleidet und verschiedene Objekte aus Sexshops in seinen Mund und andere Körperöffnungen steckt. Bestätigung seines Ausdrucks findet er in den Theorien der französischen Philosophen Gilles Deleuze und Félix Guattari zur „Lustmaschine“, die Klauke mehr als eine Maschine der Mängel versteht oder, wie er es ausdrückt: „Die meisten meiner Sehnsüchte sind das Ergebnis unendlicher Verbote sowie hoffnungsvoller, spähen Fantasien. Was würde passieren, wenn ich tun könnte, was ich mir wünsche? Um es formell auf Deutsch zu sagen: ‚Sofort die ganze Welt ficken, von vorne und von hinten, und wenn ich fertig bin, würde ich es wieder tun.‘“
Und darum geht es auch heute noch in seiner Kunst: Alle erdenklichen Grenzen zu durchbrechen, auf der Suche nach einem authentischen „Ich“. Doch dabei scheint es, als sei dieses „Ich“ tiefer in ästhetische Normen eingetaucht und habe seine Individualität verloren. „Was bleibt, ist viel Fleisch. Eine äußere Oberfläche. Der Körper wird zur Voraussetzung.“ So charakterisiert Klauke selbst diese Entwicklung, die er als Parallelität zu dem versteht, was um ihn herum geschieht.
Text von Noemi Smolik