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Karin Sander Karin Sander

Geboren 1957 in Bensberg, Deutschland

Auf den ersten Blick sind die Skulpturen von Karin Sander nichts wirklich Außergewöhnliches: gewöhnliche Figuren aus Gips, nur wenige Zentimeter hoch. Sie sind einfach auf Regalen gruppiert, einige in ihrem ursprünglichen weißen Zustand, andere mit Farben bemalt. Ein genauerer Blick zeigt, dass die einzelnen Figuren überraschend real wirken und doch gewöhnlich gekleidet sind. Sie tragen Hosen, eine Jacke, ein T-Shirt. Einige sind dick, andere hängen schlaff. Eine Gruppe ist in Bewegung, eine andere steht steif mit abwesendem, entfernten Blick – die Skulpturen sind definitiv keine idealisierten Darstellungen von Menschen, wie es die Absicht europäischer Skulpturen seit der klassischen Zeit war. Warum also die ganze Aufregung, die mit Sanders Skulpturen verbunden ist?

Die Überraschung kommt, wenn die Besucher realisieren, wie diese Figuren erschaffen wurden. Sander arbeitet mit einem speziellen 3D-Body-Scan, der normalerweise in der Modewelt verwendet wird, um Kleidergrößen zu bestimmen und präzise Kopien realer Menschen zu erstellen. Der Scanner liest zunächst die Konturen der Person und erstellt dann mit dieser Aufzeichnung eine spezielle Maschine, die wie ein Schrank aussieht, ein Gipsabguss im Maßstab 1:10. Diese gewöhnlichen Figuren sind also präzise Porträts spezifischer Personen. Der Name der Person, die als Modell für die Skulptur diente, wird dann zum Titel. Auf diese Weise stellte Sander nicht nur ihre Freunde und Figuren aus der Kunstwelt dar, sondern auch viele der Besucher ihrer Ausstellungen. 2002, während einer Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart, konnten sich die Besucher für nur 80€ scannen lassen und sich darüber amüsieren, dass ihr 3D-Porträt für immer in der Sammlung der Galerie zu finden sein würde, genau wie die Künstlerin es beabsichtigt hatte.

Ihre Kreationen beschränken sich jedoch bei weitem nicht auf diese unauffälligen technischen Porträts. Sander nimmt nicht nur menschliche Spuren auf, sondern macht sie auch sichtbar. Und solche sichtbaren Spuren sind direkt in ihrer Serie „Patina“ und „Gebrauchsbildern“ (Patina Paintings) präsent. Sander verschickt weltweit weiße, in Geschäften gekaufte Leinwände und stellt sie dann aus, um alle Spuren ihrer Reisen zu zeigen. Gelegentlich umfasst ihre Ausstellung ein wunderschön glänzendes ovales Objekt, das in seiner radikalen Einfachheit und Eleganz mit dem Werk des bekannten Bildhauers Constantin Brancusi mithalten kann. Doch diese perfekte Form ist kein Kunstwerk – es ist ein poliertes Straußenei. Daher müssen wir logisch fragen: Wer erschafft die perfektere Kunst – die Natur und der Zufall oder der Mensch?

Text von Noemi Smolik