Geboren 1950 in Brandenburg, lebt in Düsseldorf
Das Ziel ist klar: „die Funktionsweise und die Mechanismen globaler Politik“ aufzuzeigen. Auf dem ersten Foto sehen wir zwei in Decken gehüllte Gestalten, die vor einer gekachelten Wand am Boden liegen – vermutlich irgendwo in der New Yorker U-Bahn. Auf dem zweiten Foto sitzt ein Inder in Buddha-Pose mitten im Müll und Schmutz von Neu-Delhi. Zwei Bilder, zwei Orte, tausende Kilometer voneinander entfernt, zwei Schicksale. Was haben sie gemeinsam, was trennt sie? Und was hat die Globalisierung für sie getan? Das sind die Fragen, die Klaus Mettig auf seinen Reisen um die Welt so obsessiv zu beantworten versucht.
Bereits in den 1970er-Jahren begann Mettig damit, riesige Fotowände zum politischen Zeitgeschehen zu gestalten, bei denen ein einzelnes Bild sich in ein scheinbar triviales Detail der Weltgeschichte verwandelt. Zwischen 1978 und 1981 fotografierte er einen Fernsehbildschirm mit einer fest installierten Kamera – 2500 TV-Bilder entstanden so, mit einer Gesamtlänge von 65 Metern. Vier Jahre Weltgeschichte sind darauf dokumentiert, alle versehen mit Titeln wie „Don’t forget the Prague Spring“, „Estragon im Babybrei“, mit Fotos von Farah Diba, James Dean, Helmut Schmidt, Rudi Dutschke oder einem Bild von Tito vor einer Karte Jugoslawiens mit dem Titel „Zustand ernst“ – auf wessen Zustand bezieht sich das: auf Tito oder auf Jugoslawien?
Seit den 1980er-Jahren konzentriert sich Mettig zunehmend auf die Probleme der Globalisierung und visualisiert sie geschickt in großformatigen Panoramen. Ob er die Wälder Bhutans fotografiert, eine urbane Siedlung in der Wüste bei Dubai, Blechhütten in Kathmandu, New Yorker Straßenschluchten oder Shanghai und Delhi, die Zentren des asiatischen Turbokapitalismus, in denen das Heute bereits zur Vergangenheit gehört – stets sucht er nach Spuren, die die Zivilisation in der Natur hinterlässt, und danach, was der Mensch aus dem Fortschritt geerbt hat, der nun selbst die entlegensten Winkel der Welt erreicht hat. Er zeigt eine Welt, in der westliche Mode traditionelle Gewänder verdrängt, sodass uns inmitten eines Palmenhains Britney Spears von einem T-Shirt entgegenblickt; in der billige, hastig errichtete Häuser ehemals baumbewachsene Hügel in Betonwüsten verwandeln und idyllische Buchten zu stinkenden Abwasserkanälen werden.
Mettig veröffentlichte die Fotos, die diese Entwicklung dokumentieren, in dem Buch „Don’t be left behind“. Wälder von Bhutan, Plattenbauten in Shanghai, Wolkenkratzer in Peking – nach der Betrachtung dieses Buches erscheint es mitunter gar nicht so schlecht, ein wenig hinter der Zeit zurückzubleiben.
Text von Noemi Smolik