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Özlem Altin Özlem Altin

Geboren 1977 in Goch, Deutschland, lebt in Berlin

„Die Darstellung des menschlichen Körpers fasziniert mich genau in dem Moment, in dem Repräsentation sich verwandelt und abstrahiert: wenn wir also nicht mehr eine konkrete Person sehen, sondern eher einen Typus, ein Objekt – eine Person ohne individuelle Merkmale, fast flächig wirkend, mit einer ‚minimalen Präsenz‘. Mich interessiert es, den menschlichen Körper in einem Nullzustand zu inszenieren – in einem Zustand der Erschöpfung und Passivität.“

Özlem Altin schöpft aus einem umfangreichen Archiv von Magazinseiten, Postkarten und digitalen Bildern, die sie mit eigenen Fotografien und Gemälden kombiniert und so vielschichtige Installationen schafft. Die für Artists for Tichy — Tichy for Artists entstandene Collage spiegelt ihr Interesse an der gleichzeitigen Darstellung physischer Präsenz und Abwesenheit wider. Gemeinsames Merkmal der heterogenen Bildwelt ist, dass die Gesichter der Abgebildeten unkenntlich sind: Das Gesicht ist entweder übermalt, mit Stoff bedeckt oder vom Betrachtenden abgewandt. So ist zum Beispiel in einer Fotografie von Miroslav Tichý, die Teil der Collage ist, der Bildausschnitt so gewählt, dass das Gesicht abgeschnitten ist. Altins Vorgehen, verschiedenes Bildmaterial zu thematischen Gruppen zusammenzuführen, erinnert an den Mnemosyne-Atlas von Aby Warburg, für den Bilder als „Ausdruck gesellschaftlicher Erinnerung“ galten.

Das Fehlen individueller Ausdruckskraft bei den Dargestellten lenkt den Blick zunächst auf formale Gemeinsamkeiten. Durch das Ausblenden innerer Bewegung tritt das äußere Bewegungsmoment stärker hervor – in Warburgs Worten: „die ereignishaften Accessoires“: der Pinselstrich, das Kleidungsstück, die Decke. Das Nebeneinanderstellen, Gruppieren und räumliche Arrangieren der Bilder betont Momente der Spannung, die bereits im Ausgangsmaterial vorhanden sind.

Altin: „Ich möchte das verborgene Potenzial von gefundenen Bildern freilegen. Es kann sein, dass sie zunächst eine eindeutige Bedeutung vermitteln, doch durch meinen Eingriff – durch Modifikation oder Kombination – offenbaren sie neue Bedeutungsebenen und eine assoziative Kraft, die vielleicht bereits vorhanden, aber unsichtbar war.“

In ihrer Gesamtheit zeichnet Altins assoziative Bildsprache passiver, schlaffer Körper und sich selbst verleugnender Identitäten ein Psychogramm innerer Zustände und äußerer Zwänge menschlicher Existenz – ein Bild, das aus der dynamischen Anordnung der verschiedenen Elemente im Ausstellungsraum hervorgeht.

Text von Cora Waschke