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Philipp Hennevogl Philipp Hennevogl

Geboren 1968 in Würzburg, lebt und arbeitet in Berlin

Ein nahezu unendliches Netz aus sich kreuzenden Linien, Streben und Zwischenräumen spannt sich über das schwarz-weiße Bild. Im Vordergrund – beinahe provozierend in seiner reduzierten Schlichtheit – steht eine einzelne Straßenlaterne. Der Titel dieser Arbeit von Philipp Hennevogl aus dem Jahr 2008 lautet Gerüst, und wie viele seiner Werke ist sie ein Linolschnitt. Es erscheint kaum glaubhaft, dass sich jemand der Mühe unterzieht, eine solch komplexe Struktur – deren ästhetische Wirkung unbestritten ist – mit der aufwendigen Technik des Linolschnitts wiederzugeben, anstatt sie mit einem fotografischen Schnappschuss festzuhalten. Doch genau dadurch wird dem Motiv in ganz praktischer Weise Rechnung getragen: dem zeit- und kraftaufwändigen Aufbau eines Gerüsts mit seinen zahllosen Querverbindungen. Und dies geschieht auf abstrakte Weise – die vielschichtigen, sich durchdringenden Strukturen können schließlich auch als Darstellung von Zeit im Raum verstanden werden.

In seinen früheren Linol- und Holzschnitten zeigt Hennevogl vor allem Menschen. Auch Stillleben und Innenräume begegnen uns – teils farbig. Nach und nach wendet er sich abstrakten Strukturen zu. Diese sind jedoch nie bloße Formexperimente, sondern finden stets ihre Entsprechung in der Realität: ein Vorhang, ein Gitter, Materialstapel oder eben – ein Gerüst. Wie die Fotografen der Neuen Sachlichkeit und des Neuen Sehens in den 1920er Jahren entdeckt auch Hennevogl das abstrakte Potenzial in unserer Umgebung und erzeugt durch Bildausschnitt, Perspektive und eine fotografische Herangehensweise faszinierende Darstellungen.

Seine aktuellen Werke zeigen ein wachsendes Interesse am dynamischen Spiel mit Formen und Linien, die sich in Pflanzen, Stoffen oder Schriftzügen finden. Diese treten in Kontrast zu starren Strukturen oder dominieren das Bild ganz. Dabei entsteht eine sichtbare Spannung zwischen der Flexibilität des Motivs, der überlegten Herangehensweise des Künstlers und der klaren, differenzierten Wirkung des Linolschnitts. Hennevogls intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Arbeitsprozess spiegelt sich in der Behandlung und Darstellung seiner Objekte wider. Die Betrachter:innen sehen die Struktur von Oberflächen und das wechselhafte Spiel des Lichts ebenso wie Veränderungen der Perspektive – als blickten sie durch ein Trickglas.

Eine interessante Erweiterung seines Werks bilden die Materialdrucke aus der Serie Mutterboden (2007 und 2011). Direkt von PVC-Bodenbelägen gedruckt, geben sie nicht nur deren spezifische Oberflächenstruktur wieder, sondern auch Spuren von Abnutzung und Gebrauch. Titel wie Vier Fenster oder Weltraum Schwarz verweisen dabei auf die Universalität von Strukturen.

Text von Cora Waschke