Geboren 1953 in Piteå, Schweden, lebt in Umeå
„Der Name des Noëma der Fotografie wird also sein: ‚Das-ist-gewesen‘ … was ich sehe, ist hier gewesen, an diesem Ort.“ (Roland Barthes)
Paris, 1979. Ein junges Paar fotografiert sich in einem Spiegel im Hotel Bohème. Kurz darauf erfährt es, dass die Frau schwanger ist. Dieser fotografische Moment wird zu einem initiatorischen Moment von Leben und Kunst. Bis 2013 wird Peter Lundström seine wachsende Familie immer wieder auf spiegelnden Oberflächen im öffentlichen oder halböffentlichen Raum fotografieren: auf Straßen und Plätzen, in Zügen oder Hotels. Dabei entstehen Aufnahmen aus der Frosch- und Vogelperspektive, Schaufensterfotografien und Bilder von Jahrmarkts- oder Zerrspiegeln – wie sie bereits seit den 1920er-Jahren existieren. Schon in jener Zeit der fotografischen Avantgarde rief der Künstler Werner Gräff dazu auf, „sich nicht länger vor Spiegelungen auf Fotografien zu fürchten. Gibt es nicht genug Beispiele, in denen Spiegelungen einen besonderen Reiz darstellen?“
Aus der reflektierenden Fläche blicken Lundström und seine Frau, die Künstlerin Anna Kristensen, dem Betrachter entgegen. Die trennende und verbindende Linie zwischen dem Paar findet ihre Entsprechung in der Beziehung zwischen dem Paar und uns, den Betrachtenden. Durch die transparente Grenze der Fotografie blickt der Betrachter in einen Spiegel, der nicht seinen eigenen Blick, sondern den eines Fremden reflektiert. Damit eröffnet sich sowohl für die Menschen im Bild als auch für jene außerhalb ein lacanscher Horizont. Der doppelte Blick des Paares auf sich selbst stärkt das Bewusstsein für das Miteinander. In der Begegnung und Unterscheidung des eigenen Blicks mit dem eines Anderen werden auch dem Betrachter Gemeinsamkeiten und Unterschiede bewusst.
Die Fotografien lassen uns nicht nur die Reisen des Paares durch verschiedene Länder nachverfolgen, sie führen uns zugleich auf eine Zeitreise. Die unbewegten Gesichter altern; die Töchter wachsen heran. Roland Barthes beschrieb das Foto als „ein Bild, das den Tod hervorruft, während es das Leben zu bewahren versucht“. In seiner nahezu 30-jährigen Serie offenbart Lundström diesen Aspekt der Fotografie in besonderem Maße. Indem er „den Blick fest auf das Leben richtet“, ruft er unaufhaltsam die Flüchtigkeit des Moments und das Ende allen Seins in Erinnerung.
Text von Cora Waschke