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Sophie Calle Sophie Calle

Geboren 1953 in Paris, Frankreich, lebt ebenfalls in Paris

Viele Jahre vor Facebook und WikiLeaks – Plattformen, die häufig unverblümt in die Intimsphäre anderer eindrangen – beschäftigte sich Sophie Calle bereits mit dem, was sie selbst als „unglaublich fesselnden und abenteuerlichen Eingriff in die eigene sowie fremde Privatsphäre“ bezeichnete. Nach langen Reisen kehrte sie 1979 in ihre Heimatstadt Paris zurück. Um das Gefühl der Entfremdung zu überwinden, begann sie, Passant*innen zu beobachten. Ihre Erkundungen dokumentierte sie mit Fotografien und handschriftlichen Tagebucheinträgen.

1981 bat sie dann ihre Mutter, einen Privatdetektiv zu engagieren, der sie beschatten sollte. Calle bewegte sich durch die Stadt, traf Freund*innen, besuchte Cafés und lud Leute in ihre Wohnung ein. Das Ergebnis der akribischen Arbeit des Detektivs war eine lückenlose Dokumentation ihres Lebens – unter dem Titel „Der Schatten“. Doch bleibt es tatsächlich eine Aufzeichnung des authentischen Lebens, wenn die Künstlerin wusste, dass sie beobachtet wurde? Und wie verändert sich unser Verhalten in solch einer Situation – oder verändert es sich überhaupt, wenn wir wissen, dass wir verfolgt werden? Eine Frage, die in einer zunehmend vernetzten Welt aktueller denn je ist.

Im selben Jahr zeigte sich Calle erneut von ihrer einfallsreichen Seite: Sie arbeitete als Zimmermädchen in einem Luxushotel in Venedig – und verschaffte sich so Einblick in die Intimsphäre der Hotelgäste. Auch dieses Projekt hielt sie mit Fotos und handschriftlichen Notizen fest und präsentierte es später in einer aufwändigen Installation mit dem Titel „Das Hotel“. Calle lud das Publikum ein, es ihr gleichzutun: in das intime Leben anderer Menschen hineinzublicken.

Sophie Calle, die unter anderem den berühmten amerikanischen Autor Paul Auster zur Figur Maria in seinem Roman „Leviathan“ inspirierte, sorgte 2007 erneut für großes Aufsehen: Sie vertrat Frankreich auf der Biennale von Venedig mit der Installation „Prends soin de toi“ („Pass auf dich auf“). Kurz zuvor hatte ihr Freund ihr per E-Mail – wie auch sonst? – mitgeteilt, dass er sich von ihr trennt. Die Nachricht endete mit dem Satz: „Pass auf dich auf.“ Calle bat 107 Frauen unterschiedlichster Herkunft und Berufe – Autorinnen, Tänzerinnen, Richterinnen, Sängerinnen, Psychologinnen – auf diesen Satz zu reagieren. Einige schrieben, malten oder zeichneten, andere sangen oder tanzten. Calle dokumentierte alles und präsentierte es in Venedig der neugierigen Öffentlichkeit.

Der Versuch, in die intime Sphäre des anderen vorzudringen, war schon immer eine Quelle wilder Fantasie – und auch der Kunst. Doch Sophie Calle gehört zu den ersten, die dies öffentlich eingestanden haben.

Text von Noemi Smolik