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Thomas Hirschhorn Thomas Hirschhorn

Geboren 1957 in Bern, Schweiz, lebt in Paris

Seine Installationen sind überwältigend. Hirschhorn stellt chaotische Werke aus billigen Materialien zusammen, die oft für die Verpackung von im Internet bestellten Waren verwendet werden, wie Kartons, Verpackungspapier, Leim, Cellophan, Holzleisten und Leisten, sowie aus Konsumabfällen, insbesondere Flaschen aller Art, kaputten Fernsehern und Plastiksesseln, die sich wie ein krebsgeschwürartiger Tumor im Raum ausbreiten. Auf den ersten Blick erscheint diese eher absurde Konfiguration aus verschiedenen Ausschnitten aus Zeitungen und Zeitschriften, die auf diese Strukturen geklebt, aufgeklebt und fixiert sind. Wenn man jedoch genauer hinschaut, wird man plötzlich von Abscheu überwältigt, da seine Fotografien von toten, gefolterten und entstellten Körpern in diesen Ausschnitten und Fotos oft unerträglich sind. Und so verwandelt er von spielerischen und absurden Labyrinthen, fast wie von einem besessenen Handwerker, Höhlen des Schreckens.

Hirschhorn betrachtet sich selbst als einen Künstler, der politische Kunst macht. „Ich will aktive Kunst machen, Kunst, die das Gehirn aktiviert.“ Dies ist keine leichte Aufgabe in der heutigen Welt der Massenmedien. Aus diesem Grund zieht dieser Künstler/Politiker die Aufmerksamkeit auf sich durch Skandale. 2004 installierte er „Swiss-Swiss-Democracy“ im Schweizer Kulturzentrum in Paris, ein Labyrinth, das schreckliche Folterszenen aus dem Irakkrieg zeigte, die zu einer Collage mit den Wappen der Schweizer Kantone verarbeitet wurden. Die Kulturstiftung Pro Helvetia reagierte sofort, indem sie die bereits versprochene finanzielle Unterstützung für die Ausstellung absagte.

Ein weiteres grundlegendes Bestreben von Hirschhorn ist es, nicht nur das Ausstellungs-Publikum mit seinen Installationen anzusprechen, sondern auch die Öffentlichkeit, die normalerweise keine Ausstellungen besucht. Seine Straßenaltäre (Strassenaltäre) sind in dieser Hinsicht bekannt. Sie wurden bisher den Künstlern Piet Mondrian und Otto Freundlich sowie dem amerikanischen Schriftsteller Raymond Carver gewidmet.

Die grausamen Szenen, die bereits ein charakteristisches Merkmal dieses Aktivisten des menschlichen Gewissens geworden sind, werden von Hirschhorn bewusst eingesetzt. Durch deren Verwendung möchte er den „harten Kern der Realität“ ausdrücken. Er hofft, dass er auf diese Weise das Publikum aktivieren kann. Dies war auch sein Ziel auf der 54. Biennale in Venedig im Jahr 2010, wo er die Schweiz vertrat. Seine Installation trug den Titel „Crystal of Resistance“. Hauptsächlich aus Glas und Spiegeln zusammengesetzt, erschien sie zunächst wie eine Collage aus glitzerndem Kristall, aber nur bis der Betrachter die Fotografien und Ausschnitte bemerkt, die, wie immer in Hirschhorns Werken, den harten und oft übelkeitserregenden Kern der Realität dokumentieren.

Text von Noemi Smolik