Geboren 1958 in Zell am Harmersbach, Deutschland, lebt in Düsseldorf
Neben Thomas Struth, Andreas Gursky und Candida Höfer, Mitglieder der Düsseldorfer Schule, ist es Thomas Ruff, der die Grenzen der Fotografie auf die radikalste Weise überschreitet. Bereits als Student von Bernd und Hilla Becher, die für ihre nüchtern-pragmatischen Schwarz-Weiß-Fotos von Industriebauten bekannt sind, begann er, die Wohnzimmer von deutschen Vorstadtbewohnern zu fotografieren. In den 1980er Jahren schuf er eine Serie von Fotos seiner Freunde, „Porträts“: Diese sind strenge Farbfotos, die sich auf das Gesicht konzentrieren und jede emotionale Ausdruckskraft vermeiden. Zudem werden alle Mängel aus den Fotos digital entfernt. Mit seiner Serie „Retuschen“, basierend auf veränderten Illustrationen aus medizinischen Büchern, begann Ruff eine neue Phase seiner Arbeit. Er suchte nun nicht nach Bildern, die seine Kamera produzierte, sondern zielte darauf ab, entdeckte Bilder zu verarbeiten.
1989 erwarb Ruff alte Fotos von einem Observatorium in den Anden, die er später erneut fotografierte. „Sterne“ ist eine Serie nostalgischer Aufnahmen für gewöhnliche Europäer einer Realität, die verschwunden ist, weil es in Europa aufgrund der Luftverschmutzung nicht mehr möglich ist, den Nachthimmel zu fotografieren. Viel Aufsehen erregte Ruffs Serie „Nudes“, digital bearbeitete, farbige pornografische Bilder, die er aus dem Internet nahm. Durch die Veränderung der Bilder verwandelte er diese oft groben Bilder der brutalen Realität in romantische, verträumte und fast unschuldige Dokumente sexueller Leidenschaft.
Ruff verändert jedoch nicht nur bereits existierende Fotos. Er interessiert sich auch für die Möglichkeiten von Bildern, die über die Methoden hinausgehen, die ihm zur Verfügung stehen, sei es eine analoge oder digitale Kamera. Mit Hilfe von Instrumenten, die für die Nachtsicht während des Golfkriegs entwickelt wurden, fertigte er Nachtbilder von Städten an. Das Ergebnis sind wunderschöne abstrakte Bilder in einem Regenbogen von Farben. Am weitesten entfernt vom ursprünglichen fotografischen Prozess ist seine Serie „Zycles“, Aufzeichnungen von dreidimensionalen Projektionen mathematischer Kurven, inspiriert von Zeichnungen, die in alten Büchern über Elektromagnetismus gefunden wurden. Das Ergebnis sind völlig abstrakte Bilder aus Linien und Kurven, die die Illusion räumlicher Tiefe erzeugen, was zeigt, dass Ruff im Gegensatz zu einem traditionellen Fotografen Dinge wie ein visueller Seismograf realer Ereignisse versteht. „Ich lebe mein Leben“, erklärt Ruff. „Und ab und zu stoße ich auf etwas, das mich fasziniert, mich aufwühlt oder amüsiert und mich nicht loslässt, und daraus entstehen solche Dinge.“
Text von Noemi Smolik