Miroslav Tichý fotografierte mit Kameras, die er selbst aus Materialien gebaut hatte, die er in seinem Atelier gefunden hatte. Er stellte ein Linsensystem aus alten Brillen und Plexiglas her. Als man ihn fragte, ob das funktioniere, antwortete Tichý: „Natürlich hat es funktioniert. Wenn ich etwas mache, muss es präzise sein. Natürlich hat es unpräzise funktioniert.“ „Das war vielleicht die Kunst“, fügte er lachend hinzu. „Dann schleife ich die Linse mit verschiedenen Sandpapieren: zuerst grobes, dann immer feineres …, bis man wunderbar hindurchsehen kann. Und dann? Dann muss sie poliert werden. Kein Problem: Man nimmt Zahnpasta, mischt sie mit Zigarettenasche und poliert damit. Und damit habe ich fotografiert.“
Für das Gehäuse des Teleobjektivs verwendete er Papprohre oder Plastikabflussrohre. Er setzte oft mehrere Linsen hinein, die er mit Kleber oder Asphalt fixierte. Zum Fokussieren benutzte er ein Kinderteleskop: Aus einem Brett fertigte er eine Holzhalterung an und montierte die Kamera darauf. Das Teleskop befestigte er mit Schneidergummi in der passenden Entfernung zum Kameraobjektiv, sodass das Bild auf dem Film scharf wurde. Das Ganze sieht aus wie eine Art Waffe. Auf ähnliche Weise stellte er auch sehr komplizierte Kameras her. Aus Karton und Sperrholz baute er das Gehäuse, versiegelte es mit Straßenasphalt und strich es schwarz an. Aus zwei leeren Garnrollen und Schneidergummi baute er einen Rückspulmechanismus – eine Art Flaschenzugsystem – an dem er den Verschluss befestigte. Der Verschluss bestand aus Sperrholz mit einem kleinen Fenster darin. Je nach Spannung des Gummis klappte der Verschluss schnell oder langsam durch die Kamera und belichtete den Film kürzer oder länger. Es ist kaum zu glauben, dass er mit einem so unbeholfenen Instrument so subtile, impressionistische Bilder machen konnte.
(Auszug aus dem Text „Tarzan Retired“ von Roman Buxbaum in: Miroslav Tichý, © tichyocean, 2006)



































