Stefan Burger
The Gold Collection
Lessingstrasse 9, Zürich
27.6.–26.9.2025
Eröffnung
Freitag, 27.6.25, 18 Uhr
Tichyocean freut sich, eine Einzelausstellung von Stefan Burger (*1977) in Zürich zu zeigen. Die Werkgruppe “The Gold Collection” wurde für die Ausstellung entwickelt und wird zum ersten Mal zu sehen sein.
Der Titel der Ausstellung «The Gold Collection» verweist auf ein ästhetisches Phänomen unserer heutigen Zeit. In der Ära von Trump erleben Sprüh- und Falschgoldornamente (sog. Car Dealership Rococo) eine Renaissance. Nur der Schein zählt, und Fake News sind die neue Realität. Was ist real und mit welchen Bildwirklichkeiten bekommen wir es zu tun? Diese Fragen, die sich aktuell mit einer neuen Dringlichkeit stellen, beschäftigen Stefan Burger schon seit längerem und spielen auch in seinen neuen fotografischen Stilleben in der Ausstellung eine zentrale Rolle.
Stillleben in der Kunst gibt es schon seit der Antike. Berühmt geworden ist die Anekdote vom Künstlerwettstreit zwischen Zeuxis und Parrhasios, die von Plinius überliefert wurde. Demnach malte Zeuxis anlässlich des Wettstreits ein Ensemble von Trauben so täuschend echt, dass die Vögel nach diesen pickten. Schon damals ging es also um Abbild und Realität. Vögel und Esswaren tauchen auch in Stefan Burgers fotografischen Stillleben auf. Doch bei ihm fügen sich die Requisiten zu entrückt wirkenden Arrangements zusammen. Grob strukturierte Oberflächen und nervöse Musterungen ziehen sich durch diese widerborstigen Bilder und reflektieren auf eine unbestimmte Art das Licht KI-generierter Bilder, das von nirgendwo kommt. Die Farbskala Schwarz-Weiss, die an Tichýs Bildwelt erinnert, aber auch die klassische Technik des Silber-Gelatine-Abzugs, die sich mit der Geschichte der Fotografie verbindet, verorten die Werke in einer unbestimmbaren Zeit. Diese Auseinandersetzung mit dem Medium Fotografie, seiner Geschichte und Rezeption sind für Stefan Burger grundlegend. In dem Werk «Hauchkreis» versteckt Burger denn auch einen Hinweis auf Walter Benjamins «Kleine Geschichte der Fotografie» in der der Autor schreibt: «(….) Es ist dieser Hauchkreis, der schön und sinnvoll bisweilen durch die nunmehr altmodische ovale Form des Bildausschnitts umschrieben wird.(…)» Mit dem Stillleben greift der Künstler zudem ein Bildgenre auf, das eng mit dem Aspekt der Vergänglichkeit in der Fotografie verbunden ist. Stillleben halten etwas fest, was im Laufe der Zeit verwelkt bzw. verschwindet. Genau dies geschieht auch mit dem Drücken des Auslösers, der den Moment einfriert, bewahrt, aber auch des Lebens beraubt. Die französische Bezeichung «Nature morte» fasst dies treffend zusammen.
Neben diesen historischen Referenzen baut Stefan Burger auch Anspielungen auf Themen unserer heutigen Zeit ein, wie z.B. bei der Arbeit «Vereinzelung». Der schaufensterartige Aufbau wird von einer gelöcherten Acrylglasscheibe geteilt, die an die transparenten Trennwände erinnert, die während der Pandemie an vielen Orten zum Einsatz kamen. Die «Vereinzelung» einer Socke, die beim Waschgang ihr Gegenüber verloren hat sowie einige vereinsamte Kinderhandschuhe deuten eine Tendenz zur allgemeinen körperlichen Auflösung im Zeitalter der
Digitalisierung an.
Stefan Burger arbeitet analog. Ein charakteristisches Merkmal dieser Technik ist das Korn. Dieses ist nicht nur (vom fotografisches Elementarteilchen abgeleitet) in verschiedenen Körnungsgraden in den verwendeten Requisiten eingearbeitet, sondern breitet sich auch ausschlagartig in Form bunter Punkte auf den Emaille-Rahmen aus, die die Fotos umgeben. Der Sprung ins Skulpturale vollzieht sich ebenfalls in den speziell für die Ausstellung entstandenen Glasobjekten. Diese wurden im tschechischen Nový Bor produziert, einem Ort mit einer langen Tradition der böhmischen Glaskunst. Glas ist ein grundlegendes Element der Fotografie. Die fotografische Linse, durch die das Licht einfällt und so das Bild entstehen lässt, besteht aus Glas. Doch in Stefan Burgers neuen Skulpturen sind nur noch Andeutungen der ursprünglichen Verwendung zu erkennen. Die Objekte befreien sich vielmehr vom funktionalen Zwang und verwandeln sich in ‘ver-rückte’ Wesen oder schrullige Charaktere, die sich den Ausstellungsraum auf unkonventionelle Weise aneignen.
In der Arbeit «Natural Sleep» (2022) schliesslich, die im kleinen Raum hinten zu sehen ist, geht es um das Widerständige im Schlaf. Das Video gründet auf
einer Recherche rund um die Psychoparmaka Dormicum, Lexotanil und Valium, die Stefan Burger im historischen Archiv des Pharmakonzerns F. Hoffmann – La Roche AG, Basel, durchgeführt hatte. Die Arbeit verbindet den Tichyocean Ausstellungsraum mit den Aktivitäten der Psychcentral, eines psychiatrisch – psychotherapeutischen Ambulatoriums, das sich am selben Ort befindet und verweist auf die normativen Unschärfen zwischen gesund und psychisch krank, ausgeschlossen und integriert sowie produktiv und dysfunktional.
Mirjam Varadinis