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Angelika Zeller Angelika Zeller

Geboren 1965 in Nürtingen, Deutschland, lebt in Tübingen

„Schnell und sicher bewegten sich die Damen-Nadeln hin und her. Aber wo die Mutter ihr Augenmerk auf ihre Arbeit richtete, legte die Tochter, die den Namen Effi trug, immer wieder die Nadel beiseite und stand auf (…) ‚Dieses langweilige Sticken.‘“ Wir kennen alle das Ende von Fontanes Geschichte dieses Mädchens, das lieber auf der Schaukel spielen wollte, als sich der wohlerzogenen Tätigkeit der Frauen zu widmen. Angelika Zeller hat das Sticken als künstlerische Technik angeeignet, um ein kritisches Persönlichkeitsprofil zu präsentieren. Sie nutzt Nadelarbeit, mit der Frauen über Jahrhunderte hinweg ihre unterdrückten Leidenschaften einstickten und ihre Haushalte schmückten, um eine Struktur der Aggression und Bilder des Bösen zu schaffen. Ihr Porträt von Hermann Göring starrt uns aus dem gestickten Bild auf einem Geschirrtuch an; der Kindermörder Ronny Rieken ist „mit Blumen auf Röcken gestickt“. Die benannten Individuen und ihre Verbrechen können real oder imaginär sein. So bleibt es unklar, ob die Mörderin, die ihre Schwester mit 17 Stichen der Schere tötete, tatsächlich existierte. Im Vergleich dazu macht die klar sichtbare Technik den gewalttätigen Akt des Stichens auf unheimliche Weise gegenwärtig. In Zellers Werk verliert das Sticken seine Unschuld und wird zu einem surrogaten Akt, durch den die gestickten Bilder wie Spiegel unseres eigenen aggressiven Potentials wirken. Die hysterische Synchronität der Stiche lässt selbst unbekannte Gesichter verstörend wirken. So ist beispielsweise das Gesicht mit offenem Mund (Portrait, 2002) eine packende Darstellung der Verzweiflung, sich nicht aus den Strukturen befreien zu können, die es geformt haben. Die Stiche scheinen die Emotionen der schreienden Frau merkwürdig zurückzuhalten. Das Werk, das Teil der Serie „Vier Porträts“ ist, wurde auf der Grundlage mehrerer Fotografien gestickt, aber – als ob die menschliche Handlung des Verschmelzens in einem hervorgehoben werden sollte – ist es zu einem kleinen Kissen geformt. Das, was sich auf der Vorderseite nicht zu einem einheitlichen Bild fügen lässt, zeigt sich auf der Rückseite der Stickerei als chaotisches Durcheinander von Fäden. Wie beim seelischen Zustand eines Menschen ist es unter der Fassade verborgen. Das entstehende Bild zeigt den Versuch, die Fassung zu wahren. Im konstruktiven Prozess, „ein Bild“ von etwas zu erhalten, wird die Oberfläche durchstochen. Neuere Arbeiten wie die Serie „Cobwebs“ (2011/2012) zeichnen sich durch eine filigrane Leichtigkeit aus. Körper und Gesichter aus leicht gewobenen Fäden schweben wie Skizzen in der Luft und auf dem transparenten Textil und vermitteln sensibel die Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz.

Text von Cora Waschke